Die Anfänge ökumenischer Zusammenarbeit in Minden sind vor allem der Initiative der evangelischen Mariologin Dr. Reintraud Schimmelpfennig zu verdanken und haben ihre Wurzeln in der Una-Sancta-Bewegung. Nach dem Una-Sancta-Gespräch Pfingsten 1934 in Berlin-Hermsdorf hatten sich an verschiedenen Orten die Una-Sancta-Kreise gebildet. In Marburg, wo diesen Kreis Friedrich Heiler leitete, entwickelte die Studentin Reintraud Schimmelpfennig ihre Liebe für die Ökumene.
Nach dem Krieg 1945 übernahm sie die Leitung der Stadtbibliothek in Minden. Auf ihre Anregung und ihre Beharrlichkeit hin kam es hier bereits 1947 zu monatlichen ökumenischen Begegnungen zwischen römisch-katholischen und evangelischen Christinnen und Christen. Römisch-katholischer Mitinitiator war Studienrat Schulte, dessen praktische ökumenische Erfahrungen in der Kriegsgefangenschaft dazu geführt hatten, solche Gespräche herbeizusehnen. Beider besonderer Verdienst lag darin, dass diese Begegnung allen Interessierten offenstand, Laien in gleicher Weise wie Theologen.
Die erste Zusammenkunft der Arbeitsgemeinschaft beider Konfessionen (Una Sancta-Kreis) findet am Montag, den 21. April 47 um 20 Uhr im kleinen Saal des „König von Preußen“ statt. Besprochen wird das erste Kapitel des Buches „Das Wesen des Katholizismus“ von Karl Adam.
Unterschrift: Dr. Schimmelpfennig
So traf man sich ein erstes Mal im „König von Preußen“, dem damals feinsten Hotel in Minden. Allerdings sollte es auch die letzte Sitzung an diesem Ort sein, denn die Gruppe, die sich zum Gespräch zusammenfand, verzehrte zu wenig! Als man erneut nach einem Saal fragte, wurde die Bitte abgelehnt.
Man traf sich nunmehr monatlich im Konfirmandensaal von St. Martini. Dieser Mindener Una-Sancta-Kreis war ein freier Kreis, und es war – finanziell gesehen – ein armer Kreis: Das Portogeld wurde als Kollekte am Ende eines Abends eingesammelt. Die Leitung übernahmen auf evangelischer Seite Pastor Berthold von St. Martini und katholischerseits Pastor Claes, später Propst in Soest. Vorurteile und Misstrauen mussten in den Gesprächen überwunden werden; gemeinsame Gottesdienste waren noch undenkbar.
Themen der ersten Jahre waren u.a.: Taufe und Abendmahl, das Gebet, Schrift und Tradition, die konfessionsverschiedene Ehe. Man hielt „Gewänderschau“; und natürlich stand das 2. Vatikanische Konzil und dabei besonders die Konstitution über die Kirche und das Ökumenismus-Dekret auf der Tagesordnung.
Die jetzige jüngere Generation, die im ökumenischen Klima der letzten 20 Jahre aufgewachsen ist, kann sich überhaupt nicht vorstellen, wie schwierig die Anfänge waren. Das starke persönliche Vertrauen ließ uns beieinander bleiben. Was uns damals besonders verband, war das Gebet.
R. Schimmelpfennig, 1987
Seit Ende der 60er Jahre bildeten sich dann hier und dort die ersten Arbeitsgemeinschaften christlicher Kirchen, die nicht nur Katholiken und Evangelische, sondern auch Methodisten, Baptisten, Altkatholiken, Orthodoxe mit in das Gespäch einbezogen. 1970 kam es dann zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Ostwestfalen, in der sich zusammenfinden Vertreterinnen und Vertreter der ostwestfälischen Kirchenkreise Herford, Lübbecke, Minden und Vlotho, der Dekanate Herford und Minden, der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden in Ostwestfalen und der evangelisch-methodistischen Gemeinde in Minden.
Schon bald zeigte es sich, dass die ökumenischen Kontakte in Minden, die nun seit 1947 gewachsen waren, auch weiterhin vor Ort gepflegt und vertieft werden mussten. So entstand 1978 die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Minden und Umgebung (ACK).
Nach wie vor versteht sich die ACK als Ort des Gesprächs. In den ersten Jahren nach 1978 hat die Arbeitsgemeinschaft sowohl inhaltlich gearbeitet als auch ökumenische Gottesdienste geplant. Ende der 80er Jahre wurde jedoch deutlich, dass eine neue Arbeitsform gefunden werden musste, in der die Verantwortung für ökumenische Aktivitäten im Altkreis Minden und in der Stadt besser getragen werden konnte. Es kam zur Berufung eines Geschäftsführenden Ausschusses (Vorstandes), der sowohl ökumenische Gottesdienste verantwortet als auch dafür sorgt, dass etwa vier Mal im Jahr sich ein ökumenischer Gesprächskreis trifft.
Dabei ist es der ACK Minden wichtig, auch die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen und Initiativen zu suchen, die ebenfalls ihre Arbeit über Kirchengrenzen hinweg planen: Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Eine-Welt-Laden Minden, Fraueninitiative Minden ...
Besonders die intensive gemeinsame Arbeit im und am Jahr mit der Bibel 1992 hat der Ökumene in Minden neue Impulse gegeben. Das Vertrauen zwischen den Konfessionen ist erfreulich gewachsen und hält mittlerweile auch so manche Spannung aus.
Am 11. Mai 1997 feierte die Ökumene in Minden ihr fünfzigjähriges Wirken in Minden. Im selben Jahr, am 10. Dezember 1997 verlieh die Stadt Minden Frau Dr. Reintraud Schimmelpfennig den Ehrenring der Stadt – ausdrücklich eben auch für ihre Verdienste in Bezug auf den ökumenischen Geist in der Stadt Minden. Am 13. Oktober 2002 ist Frau Dr. Schimmelpfennig im Alter von 94 Jahren verstorben. Sie war eine exzellente Theologin und eine von Güte und Versöhnung geleitete Frau, der alle Konfessionen in Minden viel verdanken.
Im Mai 1998 ist ein erster ökumenischer Kreiskirchentag in Minden durchgeführt worden. Im Blick auf das 1200-jährige Stadtjubiläum wurde versucht, die Rolle der Christinnen und Christen für das Ganze der Stadt an der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend mit Perspektiven zu versehen.
1999 konnten mit dem Bistumsjubiläum 1200 Jahre Christentumsgeschichte in Minden gefeiert werden. Die Veranstaltungen und Feiern zum Domjubiläum wurden in guter ökumenischer Abstimmunng mit der Arbeitsgemeinschaft geplant und durchgeführt. Die Rückbesinnung machte deutlich, dass alle Konfessionen auch durch eine gemeinsame Geschichte eng miteinander verbunden sind.
Am Pfingstmontag des Jahres 2000 wurde ein erstes grosses Theologisches Fest gefeiert. Ein theologischer Grundbegriff soll nicht einfach erklärt, sondern gefeiert werden, um ihn für seine Zeit jeweils mit Erfahrungen zu füllen. „Gottes Geist“ war das Thema dieses ersten Festes, bei dem es gelang, Räume zu öffnen für Begegnungen im Geist Gottes. Er verbindet die Christenheit weltweit und entfacht das Miteinander der Konfessionen immer neu.
In den meisten Gemeinden Mindens ist Ökumene zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Ökumenische Bibelwochen und Bibeltage, ökumenische Frauenadventsfeiern – aber auch jährlich eine ökumenische Pfarrkonferenz – sind mittlerweilen Normalität. Christinnen und Christen in den Gemeinden müssen jedoch weiterhin und zunehmend ihre Kirchen auffordern, Worten noch mehr Taten folgen zu lassen. Die Sehnsucht ist bei vielen Christenmenschen groß, endlich gemeinsam am Einen Tisch des Einen Herrn zusammenkommen zu können. Und immer mehr Christinnen und Christen sind nicht mehr bereit, auf Reden und Erklärungen zu hören, die begründen wollen, warum dies noch nicht möglich ist. Es ist auch Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen vor Ort, Sprachrohr für diese Menschen zu sein im Blick auf Kirchenleitungen aller Art.